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Vorfahrt für den lieben Gott am Kuhweg

Wen interessiert schon eine Straße, in the middle of nowhere, wenn doch nur wenige Kilometer entfernt im Zentrum der ältesten Stadt Deutschlands das Leben am Brodeln ist?

Auf der einen Seite die Porta Nigra, der Dom und die Basilika. Eine Stadt  laut und bunt, die täglich eingenommen wird von einer Heerschar an Touristen, immer auf der Suche nach dem ultimativen Selfie-Motiv für Omma und Oppa zu Hause oder irgendeinen dahergelaufenen Follower in einem der sozialen Fangnetze.

Auf der anderen Seite eine Straße: gediegene Ruhe, zwei Hände voll Anwohner, ein Ausblick so gut das sich der Weg dorthin lohnt, reichlich Natur und noch immer ganz viel Ruhe. Menschen, die den Weg zu diesem 1000m langen Asphaltband finden, wissen was auf sie zukommt. Oder Sie haben sich schlichtweg verlaufen, was spätestens dann auffällt, wenn beim Erinnerungsfoto das Telefonknipsgerät vor Unterzuckerung zu Boden plumpst. Diese, meine Straße ist der Kuhweg von Trier West hinauf zum Café Mohrenkopf, die steilste Straße in Trier und zugleich die Straße Richtung Everest am 01. September. Aufgrund meiner Trainingsaktivität an diesem Kunstwerk aus Plattentektonik und Straßenbaukunst, die gleichzeitig von zahlreichen Gruppen im Rahmen von #trierhilft bewandert, befahren oder fluchend absolviert wird, schreibt diese Straße ihre eigenen kleinen Geschichten.

 

Notdurft am Berg

Als Basti Bethge und ich Anfang März die Anwohner besuchten, um sie über unser Vorhaben aufzuklären, erlebten wir breite Zustimmung, geringfügige Zweifel und einen einmaligen Hauch von Ablehnung mit folgenden Worten: „Zieht Leine“. Wochen, Monate nach unserem ersten Besuch wissen die Menschen in dieser Straße, da gibt es einen Radfahrer, der ziemlich oft da rauffährt. Und sie zeigen mir ihre Unterstützung durch kleine Gesten oder motivierende Zurufe. Vor wenigen Tagen bekam ich nun von einem der Anwohner das Angebot am 01. September im Falle eines dringenden Geschäfts, deren Keramikabteilung besuchen zu dürfen. Zwei Hausnummern geben mir die Option im Training zu klingeln, wenn mir das Wasser ausgeht. Etwas weiter unten bekomm ich regelmäßig die Aufforderung noch etwas schneller zu fahren. Im Zweifel könnte der hauseigene Hütehund, der gut und gerne auch als Pony durchgeht, mir noch Beine machen.

 

Erhöhtes Verkehrsaufkommen

Was für den durchschnittlichen Fußballmillionär zur Normalität zählt, hatte für mich nach knapp zwei Dekaden Radsport einen gewissen Seltenheitswert. Doch da standen sie, ganz oben am Café Mohrenkopf, an meinem Wendepunkt. „Zuschauer“, „Schlachtenbummler“ oder „Fans“,  die mich beobachteten, wie ich mir mehrere Durchläufe am Kuhweg in die Beine presste.

Ganz allein, bin ich also nie am Kuhweg. Mal hör ich die Motorroller heulen, wenn deren Fahrer versuchen die 25% Rampe zu überwinden. Ein andermal heulen die Fahrer der Motorroller, wenn sie ihren Roller an gleicher Stelle schieben müssen. Mit dem Verkehr auf der schmalen Straße ist es von zu Zeit zu Zeit etwas anstrengend. Es war neulich: Im steilsten Stücke der Straße näherte sich von oben ein Kleinwagen, der gerade mit der Erdanziehung ein Bündnis einging. Zügig fuhr ich rechts ran und wartete kurz. Aus dem Auto heraus bedankte sich eine freundliche Männerstimme. Es war Pater Aloys, der Vertreter des lieben Gott in Trier-West. Ihm gab ich die Vorfahrt gern.

 

Der Mann überm Pornokino

Nicht nur ich arbeite mich auf dem Rad an diesem sinnlichen Bergerlebnis ab. Wie mir zugetragen wurde, versuchte sich auch ein Bewohner am Gipfelglück auf zwei Rädern. Im Ergebnis musste er viermal absteigen bis er oben ankam. Doch jede Person, die einmal versucht diesen Weg zu bezwingen, der kann ich nur meinen Respekt zollen.

Ein Radfahrer, der mittlerweile ein regelmäßiger Gast am Kuhweg ist mit seinem Rennrad, betreibt von Haus aus eigentlich eine andere Sportart. Er studiert, wohnt überm Pornokino, ach, und früher hat er mal Posaune gespielt. Eine wilde Mischung, aber verdammt schnell der Kerl. Kennengelernt am Kuhweg, wo sonst.

 

Diese Idylle am Kuhweg hat sicher noch ein paar Geschichten parat, auch zum Everesting. Also lasst uns am 01. September gemeinsam eine Geschichte erleben, die wir später erzählen wollen. Es bleiben noch 39 Tage bis zum Everest.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Der Rosenkavalier

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Basti (Montag, 30 Juli 2018 22:18)

    Uller, es ist immer wieder schön deine texte zu lesen....!!! Solltest vielleicht zum Schreiber wechseln nach dem Everesting!! Greetz

  • #2

    Anja (Montag, 03 September 2018 03:55)

    Es war einfach spitze was du da geleistet hast. Das ist der Wahnsinn und einfach nur unmenschlich. Du hast meinen vollsten Respekt. Ich war dabei :) und paar Tränchen habe ich auch verdrückt als du es geschaft hast. Unglaublich das du diese Strecke vor dem 1.09.18 schon so oft gefahren bist. Und dein Blog ist auch einfach super.