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Straße Richtung Everest

Was uns geprägt hat? Was wir sind? Was uns bevorsteht? Es ist die Straße, in der wir aufgewachsen sind.

 

Meine Straße liegt in Thüringen, genau genommen in Manebach, einem kleinen Dorf im Thüringer Wald. Sie ist wenige hundert Meter lang, steil, schmal, mit einem Granitpflaster ausgelegt, welches sie so richtig ruppig erscheinen lässt. Mehr Trail als Gehweg, so definiert sich das dünne Band für Fußgänger, das sich an einer Straßenseite entlangkrallt. Die Menschen, die zu meiner Zeit in dieser Straße lebten waren Angestellte, Arbeiter, … alles, nur kein Schicki Micki. Herzlich und hilfsbereit, aber auch hart und zäh wie das Wetter am Nordhang des Thüringer Waldes. Es gab keinen Winter, den ich mit mild umschreiben möchte. Schneereiche Winter mit bitterkalten Temperaturen waren die Regel. Sie bescherten mir eine Rodelbahn bis vor die Haustür. In Gegenrichtung hatten es die Trabis schwer sich empor zu kämpfen. Im Schein der Laterne schoben Männer aus unserer Straße Auto um Auto nach oben. Rutschend im Schnee, schnaufend vor Anstrengung wurde geholfen wo Hilfe benötigt wurde. Meine Straße.

 

Sepp ein lachender Zweijähriger, der als eines der wenigen Kinder in der Welt mit dem Gendefekt KCNQ2 leben muss. Seine Straße findet sich in Trier Euren, leicht ansteigend, gesäumt von Fahrzeugen zu beiden Seiten, wie es für eine Stadt üblich ist. Aus den Fenstern der mehrgeschossigen Häuser blicken die Menschen auf den Flickenteppich der Fahrbahn, der keine zwei Fahrzeuge nebeneinander erlaubt. Die Bordsteinkanten des Gehwegs bröckeln, einmal in der Woche kommt die Stadtreinigung und kehrt alles auf. Gesichter gibt es viele, die passenden Namen dazu nur selten. Anonymität und bekannte Personen, Gleichgültigkeit und Interesse geben sich im losen Wechsel die Klinke in die Hand. Menschen mit dem Herz am rechten Fleck schenken dir im dicksten Regenschauer ein „Guten Morgen“. Und sie helfen wo man es nicht für möglich hält. Sepps Straße.

 

So geht jeder seinen Weg, seine Straße. Und dann, eines schönen Tages überschneiden sich beide Straßen, die eine gerade mittendrin, die andere erst am Anfang. Auf einer Wegstrecke von gut einem Kilometer führt uns dieser gemeinsame Abschnitt zum Everest. Eine Wand aus Asphalt und Schlaglöchern schlängelt sich am Hang entlang. Fünfundzwanzig Prozent Steigung sind es maximal, lediglich 15% im Durchschnitt. Im gleißenden Sonnenlicht oder im Dauerregen, es braucht 62 Wiederholungen auf dieser Straße bis zum Everest-Gipfel. Bergan fühlt es sich an wie einen Trabi durch den Schnee zu schieben, bergab ist es eine Rodelbahn mit dem Fahrrad. Mögen die Anonymen sich hervorwagen, möchten die guten Bekannten sich begeistern lassen, möge die Gleichgültigkeit echtem Interesse weichen, für Everesting, für KCNQ2. Auf das Dach der Welt für Sepp und all die anderen.

 

Text: Rosenkavalier

 

Mehr Informationen zur Vorbereitung, meinem Rad, der Strecke und weiteren wichtigen Informationen folgen in den kommenden Wochen.

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