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Mit dem Rad zum Rennen

Meine Begleitung für vier Tage Deutschland
Meine Begleitung für vier Tage Deutschland

„Bist du bescheuert?“ Hat sie das so gesagt oder sprachen da mehr die fassungslosen Augen meiner Frau, als ich ihr meine Idee unterbreitet habe. Im Rahmen der Nachbetrachtung meines Vorhabens bei Spekulatius und Milch, versuche ich dieser Frage auf den Grund zu gehen. Zugegeben von Trier nach Schwarzheide in Brandenburg mit dem Rad, das Ganze eingepackt in drei Oktobertage, das ist dezent ambitioniert. Am vierten Tag noch eine Wettfahrt zu platzieren und in den Abendstunden die Heimreise mit der Deutschen Bahn antreten zu wollen, ruft dann auch bei weiteren Gesprächspartnern  ein gewisses Stirnrunzeln hervor. Ja, so ein klein wenig bescheuert muss ich wohl sein.

 

Etappe 1: Trier – Ulmbach; Einfach MACHEN

Am Donnerstag, den 17.10.2019 kurz nach halb sechs am Morgen, stehe ich vor meiner Haustür in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands und warte darauf, dass der SRM mit einem kleinen Pieps meinen Start freigibt. Zu Beginn des Jahres unterhielt ich mich mit einem Arbeitskollegen, der noch Monate vorher den Krebs besiegt hatte, über meine sportlichen Vorhaben. Als ich ihm davon berichtete, lange Strecken zu wandern oder auch mal mit dem Rad zum Rennen zu fahren, antwortete er kurz und knapp: „MACHEN“

Eine Aussage, die bei mir hängen bleibt. Mit dem Pieps des SRM geht es los. Machen!

Der angekündigte Regen bleibt mir erspart, mit einem 27er Schnitt schiebt mich der Rückenwind in Richtung Morgendämmerung. Meinen ersten wichtigen Checkpunkt in Ürzig, erreiche ich fast 15min früher als geplant. Über die letzten Ausläufer der Eifel, entlang der Mosel, geht es durch Zell hinein in den Hunsrück.

 

Warten auf die Fähre über den Rhein

 

Bis hierher war vieles bekannt. Am Abzweig Richtung Hunsrück beginnt das große Unbekannte. Vor Jahren bin ich in Altlay mal einen Kurzmarathon gefahren, nur bringt mich das nicht weiter. Überwiegend bahne ich mir meinen Weg über Straßen und Radwege. Ein Navi in bekannter Form steht mir nicht zur Verfügung. Ich vertraue auf ein analoges Navi, bei dem ich alle Orte, die ich durchqueren möchte auf Zetteln festgehalten habe, die wiederum auf dem Vorbau festgebunden sind.

Acht Minuten nach elf, erreiche ich in Niederheimbach die Anlegestelle der Fähre über den Rhein. Zwei Minuten vor der Abfahrt bin ich noch immer im Zeitplan. Für die 2,70€, die ich beim Fährmann für die Überfahrt berappe, rekel ich mich lasziv auf dem Sonnendeck der Fähre mit geschmeidigen Dehnübungen.

 

Rheinüberfahrt

 

Von Lorch in den Taunus hinein warten mehr als 25km stetiges bergan durch eine Idylle, die ich spätestens ab Bad Schwalbach wertschätze. Denn auf der B275 bis kurz vor die A3, produziert sich das Rhein Main Gebiet in einem Überangebot an Blechlawine. In Oberems, unterhalb des Feldbergs, rollt die 200km Marke unter meinen Rädern hinweg. In Neu Anspach wartet der klassische Tankstellenhappen für Radfahrer auf mich: Mars-Riegel serviert mit Cola. Und dann. Dann empfangen mich erneut die Feinstaubwunder in Richtung Wetterau. Mit einem erhöhten Anteil Radweg fühle ich mich etwas sicherer, doch zurück im unermüdlichen Positionskampf auf der Straße ärgern mich verstärkt SUV´s mit ihren dilettantisch vorgetragenen Künsten am Steuer. Sind das wirklich alles Förster oder versteckt sich auch der ein oder andere Mikropenis mit Führerschein unter ihnen?