Schmerzverzerrte Gesichter von Radsportlern, deren leere Augen nur den nächsten Fixpunkt des Weges absuchen für ein paar Meter Strecke mehr. Jubelnde, euphorische Zuschauer, die mit ohrenbetäubendem Lärm ihre Helden auf einer Welle aus Geschrei und Anfeuerungsrufen näher ans Ziel begleiten. Hitze, Regen, Wind, Kälte – Naturgewalten die auf den Radsport und seinen Protagonisten ungehemmt einprügeln. Kiesstraßen, Kopfsteinpflaster, unendlich lang wirkende Steigungen, gefolgt von Abfahrten, deren gefahrene Geschwindigkeiten zerstörerisch wirken. Das alles ist die Tinte, mit der der Radsport seine Geschichten schreibt.
Unser Weg Richtung Everest ist nicht zu vergleichen mit der Mauer von Gerhardsbergen, keine gemeine Wand ausgelegt mit groben Kopfsteinpflaster. Uns fehlen ebenso die einundzwanzig Kehren wie sie die Straße ins französische Alp d´Huez im Portfolio hat. Das italienische Stilfser Joch, der spanische Abschnitt zu den Lagos de Covadonga oder die Mauer von Huy in den Ardennen sind nicht mit unserem Berg zu vergleichen. Wir haben von jedem dieser mythischen Anstiege etwas. Wir haben die schwerste Strecke, die wir für unser Everesting wählen konnten!
Naiv ist so ein schönes unschuldiges Wort, denn es trifft genau meine Haltung, mit der ich im März 2012 mein Rad zum ersten Mal in diesen Berg stemmte. An jenem Tag im März war ich auf dem Rennrad unterwegs mit der Idee einer Straße, die Google Maps mir ins Hirn gespuckt hatte. Ich startete mit dem dünnsten Gang, was nur logisch erschien in Anbetracht der ersten üppigen Asphaltblase. Bereits nach wenigen Metern sehnten sich meine Knie nach Entlastung, nach flachen Moselkilometern, nach „Hör doch endlich auf, wir wollen heim.“ Mit Anfang dreißig ignorierte ich sämtliche Hilferufe meines Körpers und hoffte auf Linderung nach der ersten Kurve. So war es dann auch, fast. Etwas flach, aber nur sehr kurz. Denn hinter Kurve zwei frohlockte schon die nächste in asphaltgeformte Klippe. Mit zittrigen Beinen folgte ein gleichmäßiges Stück Tretarbeit bei formidablen Ausblick linker Hand über die Dächer von Trier hinweg. Mit der Hälfte der Höhenmeter in den Beinen folgte nun das Rollerstück. Großes Blatt? Naja, ich weiß nicht so recht, da kam dann doch schon die erste Haarnadelkurve. Es wurde weiter gekurbelt, meine Vitaldaten machten noch einen vitalen Eindruck. Bis zur zweiten Haarnadelkurve. Schon wieder so steil, dass mein Mittag sich ernsthaft mit Freiheitsgedanken befasste. Doch aus sehr steil wurde mehrere Meter später nur steil. Kurz darauf war ich oben. Mein Körper am Ende. An diesem Tag fuhr ich noch zwei weitere Male diesen Anstieg. Warum weiß ich nicht, für irgendetwas war es bestimmt nützlich.
Tausend Meter Länge, 15% Steigung, plus weitere zehn Prozent ergeben ohnmachtsähnliche 25% bergauf. Doch das sind nur die nackten Ingredienzien für diesen besonderen Tag. Zahlen können vieles aussagen, aber auch nicht alles. Im Steilstück werde ich meinen Körperschwerpunkt auf der Sattelspitze ausbalancieren. Unter dem Druck der Reifen wird der marode Flickenteppich Kuhweg bröckeln. Die Abfahrten rutschen, meine Steuerkünste flattern. Sonne, Regen, Wind werden meinen Körper malträtieren. Meine Streckenposten werden mir den Weg freihalten. Und ganz unten im Tal, dort wo die Gemeinheit Berg ihr heftigstes Gesicht zeigt, wünsche ich mir das, was Sportler so sehr lieben. Publikum, Zuschauer, einen Hexenkessel, der mir die Krämpfe aus den Beinen brüllt. Es ist die steilste Straße in Trier, ein widerspenstiges Stück Berg, für mich die schönsten tausend Meter Asphalt in Trier und am 01. September ist der Kuhweg mein Berg!
Am 01. September fahr ich für Sepp und seine KCNQ2 Kumpels und Kumpelinen auf den Everest. Noch 14 Tage!
Beste Grüße vom
Rosenkavalier
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