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Ich bin kein Profi

Bist du Profi? Warst du Profi? Wie, du gehst voll arbeiten? Viel zu oft die gleichen Fragen. Na klar war ich Radprofi, was denn sonst! Nebenbei war ich noch Rockstar, Porno-Stuntman und übers Wasser gehen kann ich auch noch! An dieser Stelle ein für alle Mal: NEIN, ich habe nie mit Radsport mein Geld verdient und in Anbetracht meines fortgeschrittenen Radsportleralters, wird das auch nichts mehr. Ich war nie Radprofi!

 

Der Ursprung dafür, dass diese Fragen an mich herangetragen werden, liegt in der ersten Hälfte diesen Jahres. Bei den ersten Treffen und Gesprächen zum Everesting hielten Personen es für sinnvoll meine sportliche Laufbahn in den Rang eines Profis zu katapultieren. Wochen, Monate später tauchte der Begriff „Profi“ im Zusammenhang mit meinem Namen in der Zeitung auf, natürlich wurde die gleiche Begrifflichkeit auch durchs Internet getrieben und selbst im Aushang des Kindergartens werde ich ebenfalls als ehemaliger Profi gehandelt.

 

Nur wurde ich in meinen 17 Jahren MTB-Rennsport nie für meine Leistung auf zwei Rädern bezahlt, so dass meine ganze Aufmerksamkeit hätte auf dem Sport liegen können. Ich habe über weite Strecken für meinen Radsport selbst gezahlt. Klar halfen Eltern und Verwandte hin und wieder aus, später gab es auch Sponsoren und Ausrüster, die vom persönlichen Girokonto etwas die Last nehmen konnten. Unterm Strich habe ich trotzdem den Wert eines richtig seriösen Fahrzeugs über die Jahre hinweg in den Sport gesteckt, wie hunderte anderer Radsportler vor und nach mir ebenso.

 

Wenn meine Laufbahn etwas Professionelles hatte, dann war es mit Sicherheit meine Einstellung und Herangehensweise an die Aufgaben, die mir bevorstanden. Im Winter habe ich viele Stunden zur Vorbereitung auf dem Rad verbracht. Über jedes meiner wenigen DNF Resultate in den Ergebnislisten habe ich mich schwarz geärgert. Oft genug habe ich auf Annehmlichkeiten verzichtet, nur um am Tag X diese besondere Leistung abzurufen, für ein Stück Selbstverwirklichung, für 5min Ruhm. Auf dem Rad habe ich gelitten, geflucht und gelernt, dass Niederlagen auch zum Sport gehören. Diese 17 Jahre Rennsport waren gut und ganz bestimmt möchte ich sie nicht missen, auch ohne den Status eines Profis jemals erreicht zu haben.

 

Im Jahr 2018 ist Radfahren immer noch toll. Einfach nur Radfahren, keine Reiserei zu Rennen, keine Verpflichtungen gegenüber dubiosen Teamchefs. Jetzt fahre ich das, was mich motiviert, was mich erfüllt. Darum auch Everesting.

 

Seit knapp fünf Jahren bin ich Papa. Mein Sohn ist kerngesund, neugierig, manchmal frech, hin und wieder knurrig, aber überwiegend fröhlich. Mein Sohn, so wie er ist, ist ein Geschenk und ich weiß es zu schätzen. Wie es auch anders laufen kann, habe ich nur wenigen Hausnummern weiter mitbekommen. Ein Kind kommt mit einem Gendefekt auf die Welt. Informationen zur Krankheit gibt es nur wenig. Und, keine Ahnung wie es weitergehen soll.

 

Wenige Wochen vor dem großen Tag im September habe ich meine Einstellung zum Leistungssport wieder herausgekramt. Jeder Tag dreht sich nun um diesen Berg in Trier, an jedem Tag grüble ich über Verbesserungen am Material und am Training. Für ein paar Monate werden Dinge untergeordnet, der Verzicht rückt wieder in den Fokus. Mit Radsport, der in meinem Leben einen festen Platz hat,  kann ich etwas Gutes tun für die vom Gendefekt KCNQ2 betroffenen Menschen. Oft fragen mich die Personen, die mich mit dem Hintergrund des Everestings kennenlernen: Bist du der Verrückte? Bist du der Wahnsinnige? Ich bin weder noch. Ich bin Ulrich Rose, 37 Jahre, begeisterter Radsportler, ich führe ein privilegiertes Leben und helfen kann jeder. Wie hilfst du?

 

Beste Grüße vom

Rosenkavalier

 

PS: Noch 22 Tage bis zum Everest.

 

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